Irak: Verfolgung der Christen und Jesiden und westliche Hilfe

Aus Mossul, der zweitgrößten irakischen Stadt, die auf das biblische Ninive zurückgeht, haben die ISIS-Kämpfer im Juni/Juli 2014 alle Christen vertrieben.  Sie zerstörten auch das 2700 Jahre alte Grab des Propheten Jona. Unter dem von US-Truppen gestürzten Saddam Hussein hatten Christen und andere religiöse Minderheiten noch relativ gute Lebensbedingungen – jetzt werden sie erpresst, gejagt, vergewaltigt, gefoltert und ermordet.

Im Jahr 2000 lebten noch 1,5 Mio Christen im Irak; im Dezember 2013 waren es nur noch 300.000, und zuletzt etwa 5000.Angesichts dieser Entwicklung wurde auf CitizenGo eine Petition an die UNO und die Arabische Liga gestartet, sich endlich aktiv um den Schutz der christlichen Minderheit zu kümmern.


Mich hat es zunächst positiv überrascht, dass die USA im Sommer 2014 dann doch militärisch gegen die unsäglichen IS(IS)-Kämpfer im Irak vorgegangen sind, wenn auch nur sehr begrenzt. Vor dem Hintergrund der Ungeheuerlichkeiten, die die Amis durch die Irakkriege selbst angerichtet haben, ist das aber eine viel zu geringfügige ‚Wendung‘. Sie müssten, wenn sie es erst meinen würden, viel massiver – auch unter Inkaufnahme eigener schmerzlicher Verluste – am Boden für den Schutz der Minderheiten einzusetzen, um tatsächlich als Wohltäter etwas auszurichten. Dann wäre es eine Sache von einem Monat, die ISIS plattzumachen, wie der irakische Abgeordnete Madschid Al-Gharawi im Dezember 2014 erklärte. 

Sehr schade und bezeichnend auch, dass sie (und auch andere westliche Staaten) nicht schon früher helfend eingegriffen haben, nachdem das himmelschreiende Elend unter den Christen in der Region (incl. Syrien) schon seit Jahren andauert, sondern erst als mit den Jesiden auch eine andere religiöse Minderheit massiv verfolgt wurde.  Der in der österreichischen Tageszeitung „Die Presse“ erschienene Artikel: „Europa wacht auf – und überlässt die Drecksarbeit im Irak anderen beklagt ebenfalls die Halbherzigkeit des westlichen Hilfs-Engagements.

Dass die GIs nun ein paar Bömblis geschmissen haben, klingt ja nett, aber die strategische Motivation hinter diesem Manöver ist genauso wenig humanitäre Hilfe wie schon beim Irak-Krieg, mit dem man ja angeblich dem Land Demokratie bringen wolle. Vielleicht wollte man einfach das eigene schlechte Gewissen ein wenig beruhigen, oder noch viel wahrscheinlicher: mit Hilfseinsätzen mal etwas Positiv-Publicity erzeugen. Typisch jedenfalls, wie bei uns auf einmal das US-Vorgehen durch eine gut abgestimmte Medienkampagne flankiert wurde, die die öffentliche Meinung auf die eingeschlagene Richtung hin beeinflusst hat. Während die Gräuel, die Islam-Kämpfer in Syrien und dem Irak schon seit Jahren speziell an den Christen verüben, bislang größtenteils ignoriert wurden.

Im Anschluss ließen sich denn auch ein paar andere westliche Regierungen nicht lumpen und werden aktiv – so fliegt die deutsche Bundeswehr zunächst mal schusssichere Westen und Nachtsichtgeräte nach Kurdistan, wogegen sicher nichts einzuwenden ist. Dann wurde der Bundestag eigens aus dem Urlaub zusammengerufen, und zwar nur um eine Debatte und in einer Pro-Forma-Abstimmung das abzunicken, was die Regierung vorher(!) schon verbindlich entschieden hatte: Waffen an die Peschmerga zu liefern. Das klingt nach einer pragmatischen Lösung, weil man das Kämpfen den Einheimischen überlässt, hat aber einen wesentlichen Nachteil: Man weiß nie, in wessen Hände die Waffen irgendwann gelangen und wozu sie eingesetzt werden. Die ISIS-Kämpfer haben jedenfalls schon jetzt eine Menge Waffen, die von den USA, Deutschland und anderen Ländern in die Region gebracht wurden. Gregor Gysi hat gegen das sehr zweifelhafte Vorgehen der deutschen Regierung ausgezeichnet opponiert (mal abgesehen von ein paar Fehlern in seinen Geschichtsbezügen zum 1. September 1939). Er wies auch sehr richtig darauf hin, dass hier einzelne Staaten vorbei am eigentlich zuständigen UNO-Sicherheitsrat entscheiden, und dass die Bundesregierung hier zum ersten Mal Waffen in ein Land, aber nicht an dessen Regierung schickt. Korrekt und effektiver wäre gewesen, mit UN-Mandat eigene Truppen in den Kampf gegen ISIS zu schicken.

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